Kirche Olbersdorf 1883
Kirche zu Olbersdorf 1883-1984
Altar der alten Olbersdorfer Kirche
Innenraum der Kirche

Die alte Kirche zu Olbersdorf – ein neogotischer Bau

Olbersdorf zählte seit Jahrhunderten zu den größten umliegenden Dörfern Zittaus. Es war eines der letzten Dörfer, das sich kirchlich selbständig machte. Die ersten Versuche wurden bereits 1830 unternommen, doch erst über 50 Jahre später umgesetzt.

Am 29. Juni 1882 begann die Grundsteinlegung für die Kirche und die Einweihung des Friedhofes. Ein reichliches Jahr später, am 15. Oktober 1883, wurde die fertiggestellte Kirche eingeweiht. Unter der Verwendung von Sandstein und reichlich Holz entstand eine neugotische Kirche, die jedem Besucher einen warmen Eindruck vermittelte. Im Laufe der Jahre wurde der bestehende Friedhof zweimal erweitert.

Im Jahr 1975 kam es zu einem sehr bewegenden Ereignis. Aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeiten musste der Braunkohletagebau erweitert werden. Dies zog eine Verlagerung der Kirche, des Friedhofes und eines großen Teiles des Niederdorfes nach sich. 100 Jahre Kirchengeschichte lagen hinter der Gemeinde und nun musste die Kirche dem Tagebau weichen. Von 1883 bis 1983 waren hier viele Menschen getauft, konfirmiert und getraut worden, doch 1984 hieß es Abschied nehmen und einen Neuanfang wagen.


Die neue Kirche – ein Gemeindezentrum für Olbersdorf

Kirche Olbersdorf
Ev.-Luth. Kirchgemeindezentrum Olbersdorf, erbaut 1986.

Bereits am 14. September 1984 konnte die Grundsteinlegung, bei der auch Teile des Grundsteins der alten Kirche verwendet wurden, gefeiert werden. 1986 konnte das neue Kirchgemeindezentrum, das am Fuße des Butterhübels zu finden ist, eingeweiht werden. Unzählige freiwillige Arbeitsstunden wurden geleistet – die neue Kirche schweißte die Kirchgemeinde wieder fest zusammen.

Nicht nur Teile des alten Grundsteins, sondern auch Sandsteinsäulen der ehemaligen Kirche wurden geborgen, wieder sorgfältig aufgearbeitet und wiederverwendet. So erinnern die Sandsteinsäulen im Eingangsbereich des neuen Gebäudes, ebenso wie die schöne neue Holzdecke an die alte Kirche. Der Gottesdienstraum zählt 100 Stühle, die speziell entworfen und angefertigt wurden.

Altarbild
Altarbild im Olbersdorfer Gemeindezentrum von Michael Vogler geschaffen.

Ein besonderer Blickfang ist das Altarbild. Der Künstler Michael Vogler, entwarf es und suchte nach einer Möglichkeit ein Werk zu schaffen, das den Betrachter anregt, darüber nachzudenken, wodurch sein Glaube getragen und gehalten wird. Das Bild stellt das Auf und Ab des Lebens dar, wie es Jesus durchlebt hat und verkörpert Kraft und Hoffnung auf Besserung.

Deutung des Bildes

Michael Vogler hat hier mit Symbolen gearbeitet, um etwas zu schaffen, was zeitlos ist und lange seine Gültigkeit behält. 1986, als die Kirche geweiht wurde, haben sicherlich viele Menschen diese Bilder mit dem Baumsterben im Gebirge verbunden. Das ist heute vorbei, und trotzdem sind die Bilder immer noch aussagekräftig, auf eine andere Art.

Der Baum gehört zu den Ursymbolen der Menschheit, die sich in allen Religionen finden.

Zahlreiche Mythen erzählen von einem Lebens- oder Weltenbaum, der die Weltachse im Zentrum des Kosmos darstellt. Der Weltenbaum verbindet die drei Zonen des Unterirdischen, Irdischen und Himmlischen zu einem einheitlichen Ganzen.

Die Wurzel ist fest verankert, so wie unser Glaube fest verankert sein sollte. Und die Krone reicht bis in den Himmel. Deshalb stellt der Baum in manchen Kulturen die wichtigste Verbindung mit dem Göttlichen dar.

In der biblischen Schöpfungsgeschichte steht der Baum des Lebens und der Erkenntnis von Gut und Böse in der Mitte des Paradieses.

Dem Baum als Symbol des Sündenfalls, um dessen Stamm sich eine Schlange windet, steht häufig das hölzerne Kreuz als Symbol der Erlösung gegenüber.

Außerdem ist der Baum auch immer ein Symbol für das menschliche Ich. Die Lebensalter werden mit dem Wachsen des Baumes verglichen.

Das Altarbild bei geschlossenen Altarflügeln ist ja für die beiden Fastenzeiten gedacht: Adventszeit und Passionszeit. Wir sehen zwei kahle Bäume vor einem Winterhimmel in der Dämmerung. Die Bäume sehen sich auf den ersten Blick sehr ähnlich, man denkt an ein Spiegelbild. Bei genauerem Hinsehen erkennt man die Unterschiede. Und wenn man noch genauer hinsieht, wird einem klar, dass die meisten Äste keine Enden haben. Seltsam. Die Äste bilden in sich geschlossene Flächen. Die Flächen könnten Ländergrenzen sein. Das sieht fast aus wie Landkarten.

Michael Vogler hat dieses Bild noch vor der Wende gemalt. Die Bäume könnten zwei Welten sein, die durch eine Grenze voneinander getrennt sind: Ost und West. Oder heute: Europa und Afrika. Abendland und Morgenland. Die Bäume als getrennte Kulturen. Und was sie nun voneinander trennt, ist ein Feindbild, das sind gegenseitige Schuldzuweisungen, Ängste vor den Unbekannten, denen man alles Mögliche zutraut, Misstrauen, das immer neu geschürt wird von Gruppierungen, die ihren Nutzen daraus ziehen.

Aber natürlich lässt das Bild mit seinen Symbolen auch andere Interpretationen zu.

Ebenso könnten das Menschen oder auch Familien sein, zwischen denen sich ein tiefer Graben aufgetan hat, weil ein bitterer Streit sie trennt.

Oder es ist der Graben der Sünde zwischen Gott und Mensch.

Über diese getrennten Welten spannt Gott seinen Regenbogen als Zeichen der Versöhnung und verbindet sie. Der Regenbogen symbolisiert hier die Brücke zwischen Gott und den Menschen und zwischen den Menschen untereinander.

Zaghaft haben Äste angefangen, über die Mauer oder den tiefen Graben hinüber zu wachsen. Manche sind abgestorben, aber drei Äste bilden schon eine Verbindung.

Adventszeit und Passionszeit sind beide Hoffnungszeit: Wir stecken noch im Finstern, aber wir erwarten zuversichtlich das Licht. Ein paar Hoffnungszeichen gibt es schon; auf sie lenkt Gott unseren Blick.

Wie der mittelalterliche Flügelaltar hat auch unser Altar einen Aufsatz und eine Predella. Der Aufsatz zeigt den Sternenhimmel mit der Planetenkonstellation zur Zeit der Geburt Jesu. Jupiter und Saturn begegnen sich im Sternbild der Fische.

Unser Himmel hier erzählt uns: Gott hat die Welt geschaffen und ist weiter wirksam in der Welt, auch heute. Gott hat einen Heilsplan für seine Schöpfung. Er lässt uns nicht im Stich. Die Natur und die Geschichte bleiben letztendlich in Gottes Hand.

Unten in der Predella sieht man die Weltkugel durch ein Tal rollen. Gerade ist sie an ihrem tiefsten Punkt angekommen. Die Sterne, die oben am Himmel leuchten, sind hier in der Unterwelt Schwarze Löcher. Die Kugel sehe ich als Symbol für die Welt als Ganzes oder als Symbol für die Menschheit. Hier liegt sie nicht. Sie berührt den Boden eigentlich gar nicht. Sie scheint so schnell zu rollen, dass sie schwebt.

Die Erdkugel rollt durch ein Tal, aber sie rollt wieder hinaus.

Der Weg auf den Berg geht durch das Tal. Der Weg zur Auferstehung ins Leben hinein geht durch den Tod.

Zwischen diesen beiden Bögen: Himmel und Unterwelt ist Gottes Schöpfung ausgespannt. Zwischen Hell und Dunkel, Verzweiflung und Hoffnung, Zerspaltung und Versöhnung bewegt sich unser Leben.

Noch schöner aber wird es, wenn wir die Altarflügel öffnen. Hier wiederholt sich das Baumsymbol. Auf der linken Seite sieht der tote Baum aus wie ein Mensch.

Auch dieser Baum lässt verschiedene Deutungen zu: Jesus am Kreuz für alle Menschen, die leiden, die zu Unrecht gefoltert und hingerichtet werden, für Menschen, die sich für andere aufopfern. Oder auch Landschaft, die durch Kriege, durch Naturkatastrophen zerstört wurde. Am Himmel sieht man noch den Feuerschein. Oder die Natur, die wehrlos der Zerstörung durch Menschen zum Opfer fällt. Der Baum wird hier zum Zeichen für Leid und Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit. Und in seiner Form erinnert er immer an den Gekreuzigten.

Dem gegenüber steht der Baum des Lebens, an dem verschiedene Früchte wachsen und von dem ein Strom lebendigen Wassers ausgeht. In der Offenbarung des Johannes im 22.Kapitel wird der Baum des Lebens mitten in der Stadt verheißen. Dieses Bild wiederholt das Bild vom Paradies, wo auch in der Mitte der Baum des Lebens steht, von dem die Wasserströme ausgehen (Gen 2).

Wenn Gottes Neue Welt Wirklichkeit werden wird, dann stellt Gott den Frieden und die Harmonie des Anfangs wieder her. Von dieser Vision und auf diese Welt hin leben wir.

Der Baum des Lebens ist ein uraltes Symbol für ewiges Leben und Neuwerden. So wie der Baum im Frühling neue Blätter bekommt oder wie aus dem abgesägten Stumpf neue Triebe wachsen, lässt Gott das Leben immer neu wachsen und die Auferstehung über den Tod triumphieren.

Ich höre hier die Worte des Gesangbuchliedes EG 97:

Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen!
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

Und jetzt kommen wir zu dem atemberaubenden Bild in der Mitte. Dieses Bild sehen wir ja zu den großen Kirchenfesten an, zu Weihnachten und Ostern. Die heimatliche Landschaft liegt in der Dämmerung, also zwischen Nacht und Tag, kurz vor Sonnenaufgang. Wir erkennen den Töpferberg und den Ameisenberg mit dem Tal dazwischen. Darüber schwebt die aufgeschlagene Heilige Schrift, aus der das Wort Gottes, das ein lebendiger Mensch geworden ist, entgegenkommt. (Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Joh 1,14)

So kommt das Evangelium, die gute Nachricht, direkt hinein in unser Dorf, in unser Leben, in unsere Gegenwart.

Aber das Kind da in der Mitte, was ist das für ein Kind? Ein Neugeborenes ist es nicht. Das Gesicht kann man nicht erkennen, auch wenn man ganz dicht an das Bild herangeht. Das Kind liegt nicht, es sitzt. Es scheint geich aufstehen zu wollen. Und außer der Windel, auf der es sitzt, hat es nichts an.

Überhaupt, die Windel! Michael Vogler zitiert hier. Er zitiert ein Gemälde aus der Reformationszeit. Auf dem Altarbild in der Wittenberger Stadtkirche trägt der Gekreuzigte genau diesen Lendenschurz.

Michael Vogler wagt etwas, was ich noch nie gesehen habe: er stellt in die Mitte des Altars keine Kreuzigungsszene und keine andere Darstellung einer biblischen Geschichte. Er stellt ein Jesuskind dar, das zugleich ein junger Mann mitten in der Auferstehung ist. Der Lendenschurz, der auf die überstandene Kreuzigung hinweist, wird gerade abgestreift. Das Gesicht, das noch wie tot aussieht, wird gleich seine Augen aufschlagen und lächeln. Der Körper, der noch zusammengefaltet aussieht, wie ein Kind im Mutterleib oder wie ein Insekt im Kokon, wird sich gleich erheben.

Ein wunderbares Bild. Wir können froh sein, dass wir es haben.

Michael Vogler wurde 1946 im Erzgebirge geboren. Er war schon frühzeitig unterwegs. Das Abitur mit Berufsausbildung fand in Quedlinburg statt. Den Jugendtraum vom Fliegen machte er sich wahr, aber die Untrennbarkeit von der Armee ließ den Traum schon zeitig enden. Er brach die Jagdflieger-Ausbildung ab. Es folgten landwirtschaftliche Studien, die aber ohne großes Engagement betrieben wurden. Doch an der Martin-Luther-Universität in Halle lernte er seine spätere Frau, eine angehende Pfarrerin, kennen. So wuchs er mit ihr zusammen in die evangelische Lebenswelt hinein. Während sie ihre erste Pfarrstelle in Zittau ausübte, entdeckte er seine gestalterischen Fähigkeiten als Maltherapeut in Herrnhut, aber auch bei zahlreichen Innenraumgestaltungen im kirchlichen Raum, so zum Beispiel der Diakonie Bautzen oder der neuen Kirche Olbersdorf. Ihre nächste Pfarrstelle war in einem kleinen Dorf bei Schwerin, wo sie den Umsturz erlebten und er kurzzeitig Bürgermeister war, was seinem kreativen Geist aber leicht befremdlich erschien. Als er begann, intensiv photographisch zu arbeiten, waren sie schon in Neschwitz bei Bautzen. Der tschechische Photograph Jozef Sudek, die ungarisch-argentinische Photographin Inge Morath und der sächsische Hofphotograph Donatini sind ihm wichtig. Mit der Nestorin der sächsischen Photographie, mit Evelyn Richter, ist er befreundet. Seit etwa 1996 hatte er zahlreiche Ausstellungen im lokalen Raum, dabei so denkwürdige wie in den Orangerien von Großsedlitz und dem Scharoun-Haus Löbau. Nach ihrem Renteneintritt sind sie beide nach Dresden an die Elbe gezogen, wo ihre Tochter Kunst studiert hat. Friedrich Schorlemmer resümiert einmal anlässlich eines Textes zu dem Photographen: „… Diese Fotografien Michael Voglers machen Hoffnung. …“ 2009

Wie Tanja Böhme vom Bautzner Kunstverein bemerkte, „verfolgt er lange ein Thema“, woraus „meist als Serien organisierte Arbeiten“ entstehen. Solche Serien wie der stark abstrahierte „ICE“ oder das „Kraftwerk Schwarze Pumpe“, aber auch die „Sächsische Crete“, eine Adaption der Toscana bei Nossen, beherrschen Michael Voglers Photographien.

Pfarrerin Barbara Herbig.